Um Unterrichtsqualität kriteriengeleitet zu beschreiben und zu evaluieren sind in der empirischen Unterrichtsqualitätsforschung eine Vielzahl an fachübergreifenden Modellen entwickelt worden. Dabei stellt sich die Frage, ob diese fachübergreifenden Modelle auch für das Fach Bewegung und Sport Gültigkeit besitzen. In der Unterrichtsforschung wird vermehrt darauf hingewiesen, dass Unterrichtsqualität nur ausreichend erfasst werden kann, wenn fachspezifische Aspekte miteinbezogen werden, da besonders diese als lernwirksam gelten. Mit Bezug zur aktuellen Unterrichtsforschung und Sportdidaktik werden im Rahmenkonzept Qualität des Lehrens und Lernens im Sport (QUALLIS) zentrale Merkmale eines guten Sportunterrichts ausdifferenziert und beschrieben.
Die untenstehende Version 2.0 des QUALLIS Rahmenkonzept wurde im Herbst 2024 in der Zeitschrift Sportunterricht in einem Theoriebeitrag veröffentlicht und einer Lehrhilfe praxisorientiert erläutert.
Die Unterrichtsqualitätsforschung hat verschiedene Modelle entwickelt, um die Merkmale erfolgreichen Unterrichts zu beschreiben. Dabei stellt sich die Frage, ob diese fachübergreifenden Modelle auch im Sportunterricht anwendbar sind, da sich die Lernziele, -inhalte und -prozesse zwischen den einzelnen Fächern teils stark unterscheiden. Vor diesem Hintergrund rückt eine spezifische sportdidaktische Forschung in den Fokus, die auf Basis der Besonderheiten des Faches Sport spezifische Lehr- und Lernprozesse analysiert und daraus konkrete (Sub-)Dimensionen qualitätsvollen Sportunterrichts ableitet.
Ein zentraler Aspekt, der in der Sportdidaktik – wie auch in anderen Fächern – intensiv diskutiert wird, ist die „Aktivierung“ der Schüler. Die Frage, was eine gelingende Aktivierung ausmacht, ist jedoch nicht einheitlich beantwortet, da sie stark von den zugrunde liegenden sportdidaktischen Konzepten und deren lerntheoretischer Fundierung abhängt. Verschiedene Lernprozesse, wie etwa kognitive oder motorische Prozesse, werden je nach Ansatz als besonders wichtig erachtet. Da unterschiedliche Lerngegenstände und -ziele auch unterschiedliche Formen der Aktivierung erfordern, ist es notwendig, diese in ihrer Vielfalt zu differenzieren und in einem umfassenden Modell der Unterrichtsqualität im Fach Sport zu verorten.
Der Erfolg einer solchen Arbeit wird sich jedoch daran messen lassen müssen, wie gut diese Konzepte in der Hochschullehre und der Unterrichtspraxis implementiert werden können. Daher ist es unerlässlich, diese konzeptionellen Arbeiten in einem iterativen Prozess gemeinsam mit der Unterrichtspraxis zu entwickeln und zu erproben. Studierende und Lehrpersonen sollen dabei zentrale Handlungsstrategien, sogenannten Kernpraktiken, entwickeln, indem sie sowohl das notwendige Professionswissen erwerben als auch die Kernpraktiken adaptiv anwenden, flexibilisieren und verinnerlichen.
Ein wesentlicher Aspekt für die Praxisumsetzung ist die Frage, wie die (Sub-)Dimensionen qualitätsvollen Sportunterrichts für Studierende und Lehrpersonen verständlich und anwendbar gemacht werden können. Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, kompetenzorientierte Lernaufgaben als unterrichtliche Kernpraktik zu nutzen und die Qualität der Umsetzung entlang der (Sub-)Dimensionen zu analysieren. Auf diese Weise soll Professionswissen aufgebaut und direkt mit der Unterrichtspraxis verknüpft werden.
In einem nächsten Schritt könnte die Praxisumsetzung, beispielsweise im Rahmen von Schulpraktika, entlang der (Sub-)Dimensionen kriteriengeleitet formativ evaluiert werden, um einen Prozess der kontinuierlichen Unterrichtsentwicklung anzustoßen. Das übergeordnete Ziel besteht darin, ein gemeinsames Verständnis von qualitätsvollem Sportunterricht zu entwickeln, zu implementieren und kontinuierlich zu evaluieren.
Passung zum Lehrplan und Auswahl von Kompetenzen:
Die Lehrperson wählt bedeutsame Kompetenzen und Kompetenzstufen, die im Lehrplan verankert sind und dem individuellen Lernstand der Schüler*innen entsprechen.
Anknüpfung an Lernvoraussetzungen:
Die Lehrperson berücksichtigt und aktiviert das (Bewegungs-)Können, das Vorwissen, die sozialen Voraussetzungen und Interessen der Schüler*innen sowie deren Lernfortschritte.
Klare Lernziele:
Die Lehrperson formuliert und kommuniziert die Lernziele transparent an die Schüler*innen und leitet konkrete Anwendungssituationen zur Beurteilung ab.
Passende Inhalte:
Die Lehrperson wählt pädagogisch und fachlich geeignete Lerninhalte und Bewegungsfelder aus, die einen Bezug zur Lebenswelt der Schüler*innen haben.
Passende Methoden:
Die Lehrperson setzt für die Erreichung der Lernziele effektive Methoden ein und bezieht dabei die pädagogischen Perspektiven mit ein.
Selbstreguliertes Lernen und Üben:
Den Schüler*innen wird ermöglicht, explorierend und selbstkontrolliert zu lernen und mit wiederholenden Übungsprozessen ihr Bewegungshandeln zu verbessern.
Differenzierung und Anspruchsniveau:
Durch differenzierende, leistungsangepasste und fordernde Lernziele und Aufgaben werden die Schüler*innen vor neue Herausforderungen gestellt.
Strukturierung und Scaffolding:
Die Schüler*innen bestimmen ihre Lernprozesse selbst und bekommen bei Bedarf eine schrittweise Unterstützung durch die Lehrperson.
Konstruktives Feedback zur Aufgabe:
Im Dialog mit der Lehrperson erhalten die Schüler*innen lernbegleitende und zielorientierte Rückmeldungen zu ihren Bewegungshandlungen und ihrem Lernprozess.
Fokussierung auf Bewegungseffekte:
Die Lehrperson lenkt die Aufmerksamkeit der Schüler*innen auf die Effekte, die durch die Bewegung erzielt werden.
Bewegungsausführung fokussieren und verstehen:
Die Lehrperson lenkt die Aufmerksamkeit der Schüler*innen auf Bewegungen des Körpers, unterstützt die Eigenwahrnehmung und schafft ein Verständnis für gelingende Bewegungsausführungen.
Soziale Interaktionen herstellen und reflektieren:
Die Lehrperson diskutiert mit Schüler*innen Spiel- und Sicherheitsregeln und regt die Schüler*innen an, Lernaufgaben und Herausforderungen gemeinschaftlich zu lösen.
Verständlichkeit und Dialog:
Die Lehrperson erklärt klar und prägnant und überprüft das Verständnis der Schüler*innen mittels dialogischer Gesprächsführung.
Kognitive Verarbeitung und Selbstwahrnehmung:
Die Lehrperson regt die Schüler*innen an, ihre Bewegungs- und Lernergebnisse zu reflektieren und ihre eigenes (Bewegungs-)Können wahrzunehmen.
Unterstützung des metakognitiven Lernens:
Die Lehrperson unterstützt die Schüler*innen den Lerngegenstand (entlang der pädagogischen Perspektiven) auf seine individuelle Sinnhaftigkeit zu hinterfragen und das eigene Lernverhalten zu beurteilen.
Regelklarheit:
Die Lehrperson formuliert und thematisiert mit den Schüler*innen klare Verhaltensregeln und setzt diese konsequent durch.
Zeitnutzung:
Die Lehrperson organisiert effizient die Lernaktivitäten und Übergänge und ermöglicht eine hohe Lern- und Bewegungszeit.
Präsenz der Lehrperson:
Die Lehrperson überblickt und kontrolliert das Unterrichtsgeschehen und ist für die Schüler*innen ansprechbar.
Sicherheit:
Die Lehrperson gewährleistet die physische und psychische Sicherheit der Schüler*innen und achtet darauf, dass das (Sport-)Material korrekt genutzt wird.
Umgang mit Störungen:
Die Lehrperson geht angepasst mit störendem Verhalten und Konflikten um, damit die Lernzeit optimal genutzt wird.
Fürsorglichkeit und soziale Zugehörigkeit:
Die Lehrperson pflegt einen wertschätzenden und gleichberechtigten Umgang mit den Schüler*innen und fördert deren Beteiligung und Partizipation am Sportunterricht.
Wertschätzendes Feedback und Feinfühligkeit:
Die Lehrperson wendet sich den Schüler*innen motivierend zu und berücksichtigt die individuellen Lernzuwächse und erbrachte Anstrengungen.
Emotionale Unterstützung:
Die Lehrperson erkennt Emotionen der Schüler*innen an und unterstützt sie konstruktiv damit umzugehen.
Mitbestimmung und Autonomieunterstützung:
Die Lehrperson bezieht die Schüler*innen bei inhaltlichen Entscheidungen mit ein und fördert die Selbst- und Mitbestimmung durch Wahlmöglichkeiten.
Zufriedenheit und Freude:
Die Lehrperson löst bei den Schüler*innen Interesse und Begeisterung aus und weckt positive Affekte und Freude